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( Cartoon “RABE” )
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Rad - Touren
Denk ich an meine Kinderzeit, mein erstes Rad zurück, dann war ein Dreirad weit und breit
für mich das höchstes Glück.
Drei Räder, die bewahrten mich vor Stürzen und vor Schmerz, viel später wuchs dann inniglich ein Sportrad mir ans Herz.
Als Jüngling fuhr ich kühn und toll durch Felder, Wiesen, Flur, genoss das Leben frei und voll auf jeder Fahrradtour.
Als ich dann in die Ehe trat, hab ich mir fieberhaft zu diesem Zweck ein neues Rad, ein Tandem angeschafft.
So fuhr ich durch die weite Welt stets wacker, kraftvoll, schnell, war König unterm Himmelszelt, ein fröhlicher Gesell.
Nun bin ich alt, die Räder all, sie ruhen unterm Dach, von Ferne singt die Nachtigall und ruft Erinn`rung wach.
Schaut mir dereinst der Tod ins Haus und fragt: „Bist du bereit ?“, hol ich mein altes Dreirad raus
und lass` mir gaaaanz viel Zeit...
aus “NA SOWAS” 2003
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weiter zu “FEMININES”
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Die Schildkröte
Vor einhundert Jahren, es war wohl im Mai, da kroch sie im heißen Sand aus dem Ei. Sie kam schnell nach oben, schob sich durch den Sand
und floh in das rettende Meer nachts am Strand.
Die Mutter, die hatte in sternklarer Nacht vor Tagen sich schon aus dem Staube gemacht. Wie hätte das Kind jetzt den Vater gebraucht,
doch der war vor Wochen schon untergetaucht.
Sie hatte Geschwister, wieviel wusst` sie nicht, es kam ihr nie eines davon zu Gesicht.
Ein Teil fand erst gar nicht den Weg bis ins Meer, der Rest diente Haifischen bald als Dessert.
Wer später dann ging nicht den Fischern ins Netz, der mußte sich fügen in das Haifisch-Gesetz.
Die Großen, die fressen die Kleinen stets auf, die Starken die Schwachen, so will es der Lauf.
Die Jahre im Wasser, im Welt-Ozean, vergingen beschwerlich und sie wuchs heran. Nach außen, da wurde sie hart wie Basalt,
am Grunde des Meeres, da wurde sie alt.
Doch tief in der Seele, tief drinnen im Herz, da blieb sie ein Kind voller Güte und Scherz. Der Herrgott, der hatte ihr Leben bestimmt,
er wird es auch sein, der es ihr wieder nimmt.
Ihr Leben, das hauchte am Ende sie aus bei einem Gourmet fern im Feinschmeckerhaus. Man packte die Gute kurz an ihrem Schopf
und einhundert Jahre schwammen im Topf.
Ein ganzes Jahrhundert voll Last und voll Müh` steht jetzt auf dem Herd und schwimmt nun in der Brüh`.
Da bleibt nur zu wünschen, ich hab` sie geliebt, daß der Mensch - vor dem Mahl - noch den Löffel abgibt...
aus “ALLES IN BUTTER” 1996
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Der Stubenhocker
Im Frühling, wenn an Bäumen
die Blätter schlagen aus, versank der Hans in Träumen und ging nicht aus dem Haus.
Im Sommer, wenn die Sonne durch alle Zweige bricht, da saß der Hans mit Wonne
im faden Stubenlicht.
Im Herbst, wenn Blätter fallen, so wie der Herbst es will, wenn dichte Nebel wallen, saß Hans im Zimmer still.
Im Winter, wenn die Flocken
bedecken Wald und Flur, blieb Hans zuhause hocken und pfiff auf die Natur.
Und als der Hans gestorben, da kam es wie es ist, die Welt, die ihn umworben,
die hat ihn nicht vermisst...
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aus “NA SOWAS 2003
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Das Schaukelpferd
Denk ich an die Zeit meiner Kindheit, dann denk ich an Tage voll Glück. Dann kommt mit den Bildern der Vorzeit
ein Bild ganz besonders zurück:
Von all meinen Freunden beim Spielen, da habe ich einen verehrt, dort unter dem Spielzeug, dem vielen,
und das war mein Plüsch-Schaukelpferd.
Das Pferd war mein treuer Begleiter, im Wald, in der Flur und im Sand, ich war dann der stolzeste Reiter,
war Rächer der Armen im Land.
Mein Pferdchen, es war nur aus Seegras, doch trübte das nicht meinen Sinn, denn wenn ich beim Freund oben aufsaß,
dann flogen wir nur so dahin.
Mein Freund hat mich niemals betrogen, nie war er zu mir jemals schlecht, auch wenn er mit Plüsch nur bezogen,
er war zu mir gut und gerecht.
Die Jahre vergingen und schließlich vergaß ich den Freund, ja, wie schad`. Heut` denk` ich mit Wehmut verdrießlich,
zurück an den Plüsch-Kamerad.
Heut` wird mir so viel vorgegaukelt, und vieles ist einfach nur Schein, heut` werde ich oftmals verschaukelt,
wie gern möcht` ich Kind wieder sein.
aus “VOLL DANEBEN” 1997
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Marionetten
Das Leben ist ein Puppenspiel, die Welt ist eine Bühne, der Mensch auf dieser, ohne Ziel, schwankt zwischen Schuld und Sühne.
Im Rampenlicht an einem Strick, hängt er an langen Schnüren, derweil sein Glück und Mißgeschick, mag oben einer führen.
Als Marionette brav im Takt, da spielt er seine Rollen, und wenn vorbei der letzte Akt wird man ihm Beifall zollen.
Erlischt dereinst das Bühnenlicht, der Vorhang fällt zum Jammer, dann hängt der Mensch, mit andern dicht,
für immer in der Kammer.
aus “TOTAL NORMAL” 1998
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Die Eintagsfliege
Am Morgen, ich glaube am dreißigsten März, begann es zu schlagen, das winzige Herz. Es wurd` gerade hell, es war kurz vor acht,
da ward` sie auf einmal zum Leben erwacht.
Um neun, etwas später, saß sie in der Schul´, sie lauschte dem Lehrer ganz vorn auf dem Stuhl. Ihr fiel all das Lernen nicht sonderlich schwer,
drum war sie um zehn in der Küche zur Lehr`.
Um elf, ja da wurde sie endgültig flügge, da brach ihr das Herz eine männliche Mücke. Die Lieb` von dem Stecher war eine Intrige,
sie war bei dem Kerl nicht die einzige Fliege.
Weil diese Enttäuschung sie sichtlich verstörte kam hierauf ein Schmeißer, der sie nun betörte. Um eins in der Kirche, da war Hochzeitsfeier,
um zwei legte sie schon den ersten Schlag Eier.
Es folgten drauf Stunden im weiteren Leben mit Höhen und Tiefen, wie anderswo eben. Zuerst starb der Schmeißer, das war gegen vier,
der Kerl ist ersoffen am Tische im Bier.
Dann flogen die Kinder um fünf aus dem Haus und schauten verliebt nach den Stechmücken aus. Sie war nun alleine, bezog ihre Rente
und hatte nur sich und ihre vier Wände.
Am Morgen, um sieben, am ersten April, da wurde ganz plötzlich das kleine Herz still. Sie hatte erfahren an nur einem Tag,
was der Mensch erst mit Siebzig erfahren vermag.
aus “TYPISCH HENNING” 1995
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Alte Wege
Es ist schwer, alte Wege alleine zu gehen, die man früher zu zweit ging einher. Es ist schwer, all die Häuser und Gärten zu sehen,
jeden Baum, jeden Strauch. Es ist schwer.
Das Korn auf den Feldern, das Bächlein im Graben, die Wiese, die hölzerne Bank, das Zirpen der Grillen, das Krächzen der Raben,
der Brunnen, aus dem ich oft trank.
Die Straßen, die Gassen, die halbhohe Mauer, der Friedhof, ich kenn jeden Stein. Im Leben ist nichts, ja rein gar nichts von Dauer.
Ich geh meine Wege allein.
Die Wege, vertraut schon seit ewigen Zeiten, sie zeigen mir, wo ich auch geh`: Man soll alte Wege allein nie beschreiten.
Alte Wege - alleine - tun weh...
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aus “SO ISSES”, 2017
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